
Fachbereich Eurythmie: Bewegung als Ausdruck von Sprache und Musik
Eurythmie ist eine Bewegungskunst, die Rudolf Steiner vor über 100 Jahren aus der Anthroposophie heraus entwickelt hat. Der Begriff stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „schöne Bewegung“ oder „schöner Rhythmus“. An Waldorfschulen ist die Eurythmie ein fester Bestandteil des Lehrplans und begleitet die Schüler:innen von der 1. bis zur 12. Klasse.
In der Eurythmie werden Sprache und Musik künstlerisch im Raum dargestellt. Es gibt für alle Laute, grammatikalischen Gesetzte, Töne, Harmonien etc. eurythmische Gebärden, die man variabel und kreativ innerhalb einer Choreografie für die Erarbeitung eines Stückes einsetzen kann.
Förderung von Körper, Seele und Geist
Die Eurythmie dient nicht nur der künstlerischen Ausdruckskraft, sondern unterstützt auch die Entwicklung von kognitiven Fähigkeiten, Konzentration, Koordination und Raumwahrnehmung. Sie bietet einen kreativen Raum, in dem die Schüler:innen ihre Gedanken und Gefühle auf künstlerische Weise ausdrücken können.
Während der gesamten Schullaufbahn werden mit der Eurythmie besonders auch soziale Fähigkeiten geübt, etwa das Einlassen auf Mitmenschen, Empathiefähigkeit, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Achtung des Anderen und des Raumes, Kommunikations- und Ausdrucksfähigkeit, Teamfähigkeit und Verantwortung für das eigene Handeln. Außerdem werden Grob- und Feinmotorik gefördert, der Orientierungssinn geschult und Kreativität, Fantasie und Ausdrucksstärke angeregt.
Altersgerechte Inhalte und Schwerpunkte
Die altersgerechten Inhalte des Eurythmie-Unterrichts unterstützen die Schüler:innen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und begleiten sie durch die verschiedenen Phasen ihrer Schulzeit. Der Unterricht orientiert sich dabei an den Themen und Schwerpunkten der jeweiligen Klassenstufen.

- Unterstufe: In den ersten beiden Schuljahren wird z.B. an Märchen und Geschichten gearbeitet, die von Bildern und Stimmungen geprägt sind. Hier kann das Kind selbst zu den sprachlich dargestellten Bildern werden, förmlich in sie hineinschlüpfen und z. B. Polaritäten wie groß/klein, laut/leise, hell/dunkel, zart/kräftig mit dem eigenen Körper darstellen und vor allem auch erleben. In der 3. und 4. Klasse wird die stützende und Orientierung gebende Kreisform z.T. schon aufgebrochen; es entstehen kleine geometrische Figuren und Formen, in denen die Kinder zur Frontalität gelangen. Hier erleben sie sich als Individuum in einem Ganzen, aber eben doch getrennt davon.
- Mittelstufe: Ab der 5. Klasse wird geübt, die geometrischen Formen zu verstehen. Das ist schon eine sehr komplexe Aufgabe, die eine Menge Aufmerksamkeit erfordert ebenso wie ein Bewusstsein für den Raum und die Bewegung der Anderen. Die Gestaltung des Raumes und des eigenen Verhältnisses zu ihm ist ein Hauptthema. Konzentrations- und Koordinationsübungen stärken diese Fähigkeiten ebenfalls. In der 7. und 8. Klasse werden dann unter anderem die Seelengesten angelegt. Hier geht es darum, den Heranwachsenden die Möglichkeit zu geben, seelische Empfindungen (die sie gerade in diesem Alter besonders stark erleben) in relativer Objektivität darzustellen und bewusst zwischen ihnen wechseln zu können. Das kann den Schüler:innen das Gefühl nehmen, ihren Emotionen ausgeliefert zu sein.
- Oberstufe: In der Unter- und Mittelstufe werden einmal alle eurythmischen Gesetzmäßigkeiten und Gebärden (Laut- und Toneurythmie) durchgenommen, so dass es den Schüler:innen in der Oberstufe möglich ist, daraus zu schöpfen und sie selbständig künstlerisch anzuwenden. Hier steht die eigenständige künstlerische Gestaltung im Vordergrund.
Eurythmie im Kontext des Waldorf-Lehrplans
Die Eurythmie ist eng mit vielen anderen Fächern verbunden: Inhalte aus Geometrie, Musik, Poetik, Botanik, Grammatik oder Geschichte werden in der Bewegung aufgegriffen und vertieft. In der Zusammenarbeit mit künstlerischen und handwerklichen Fächern sowie Sport unterstützt die Eurythmie die ganzheitliche Entwicklung der Schüler:innen.
Gleichzeitig bietet sie einen Raum für Entschleunigung und schöpferische Kraft – ein Gegenpol zum oft hektischen und medial geprägten Alltag. Die Eurythmie stärkt die Lebenskräfte und schafft Momente der Ruhe und Harmonie. So trägt sie dazu bei, dass Kinder und Jugendliche nicht nur ihre Beweglichkeit, sondern auch ihre seelische Balance und ihren inneren Ausdruck entwickeln – ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer starken Persönlichkeit.